Peter Dietschweiler
und die Andelbach-Köhler laden zum Köhlerfest
Suizid Suizid Suizd. Symbolbild: Unsplash
Die Suizidfälle bei der Stapo Winterthur schockierten die Stadt. Fachpersonen erklären, wie man Suizidgefährdete am besten unterstützt.
Prävention Im Februar erschütterte die Nachricht vom Suizid eines Winterthurer Polizisten die Stadt. Es war der zweite Suizid eines Stadtpolizisten innert sieben Monaten. In der Schweiz nehmen sich laut dem Schweizerischen Gesundheitsobservatorium Obsan täglich zwei bis drei Menschen das Leben. «Ein Grossteil aller Suizide wird angekündigt, sei es durch verbale Aussagen, Zeichen oder Handlungen. Aber nicht immer sind diese Anzeichen durch Bezugspersonen zu erkennen», sagt Marianne Aebli, Co-Geschäftsleiterin der Winterthurer Regionalstelle von Tel 143 – Die Dargebotene Hand. Suizidale Absichten können sich ganz unterschiedlich zeigen. Wenn Personen über Suizid sprechen und beispielsweise Aussagen wie «Ohne mich wäre die Familie besser dran» oder «So kann ich nicht mehr leben» machen, kann dies ein Anzeichen für einen geplanten Suizidversuch sein. Es könne aber auch vorkommen, dass Menschen mit suizidalen Absichten sich von der Familie und vom Freundeskreis zurückziehen, sich von persönlichen Gegenständen trennen und sich vermehrt mit dem Tod auseinandersetzen, so Aebli. «Sagt jemand, ihm könne sowieso niemand mehr helfen oder niemand interessiere sich für ihn oder sie, deutet dies auf eine grosse Hoffnungslosigkeit hin.»
Suizidale Absichten können sich ebenfalls in verändertem Verhalten zeigen – etwa in vernachlässigter Körperhygiene, veränderten Essgewohnheiten oder Antriebslosigkeit. Und: «Plant jemand einen Suizidversuch, kann es auch vorkommen, dass diese Person im Vorfeld plötzlich Schulden zurückzahlt, das Testament ändert oder sich von ihrem Umfeld verabschiedet», sagt Stephan Kupferschmid. Er ist Chefarzt für Adoleszentenpsychiatrie bei der Integrierten Psychiatrie Winterthur – Zürcher Unterland (ipw) sowie im Vorstand von Ipsilon, der Initiative zur Prävention von Suizid in der Schweiz. «Es hat sich zudem gezeigt, dass Menschen, die einen Suizidversuch geplant oder unternommen haben, in der Woche davor häufiger zum Hausarzt gegangen sind.» Dort würden sie jedoch eher nicht über ihre Absichten sprechen, sondern meist über Schmerzen und Stresssymptome klagen.
Auch im beruflichen Umfeld – wo man oft kein so enges Verhältnis wie im Freundeskreis pflegt – ist es möglich, dass Vorgesetzte und Mitarbeitende erkennen, wenn eine Arbeitskollegin oder ein Arbeitskollege suizidale Absichten hat. Man merke dies daran, dass die betroffene Person sich beispielsweise zurückzieht oder äussert, sie sei überfordert oder hoffnungslos, so Kupferschmid. Extreme Stimmungsschwankungen oder ungewöhnliches Fernbleiben können laut Marianne Aebli weitere Anzeichen sein. Vermutet man, dass eine Person vorhat, sich das Leben zu nehmen, soll man sie unbedingt konkret ansprechen. «Damit weckt man keine schlafenden Hunde», sagt Stephan Kupferschmid. Wer Suizidgedanken habe, sei in «grosser seelischer Not» und es könne entlastend sei, wenn das Thema angesprochen wird. «Die betroffene Person und ihr Leid sollen wertfrei angenommen werden.» Marianne Aebli weiss, dass ein Gespräch über Suizidgedanken nicht leicht ist und Mut braucht. Man solle sich genügend Zeit dafür nehmen und einen passenden Ort wählen, denn: «Reden kann retten!» Ebenfalls sollte man auf die eigene Befindlichkeit achten und nur so viel Unterstützung anbieten, wie man selber gut tragen könne. Ein nächster Schritt sei es, sich Hilfe von Fachpersonen zu holen.
Wie diverse Medien berichteten, sollen Probleme und Konflikte am Arbeitsplatz der Auslöser für die Suizide bei der Stapo gewesen sein. Ob eine belastende Arbeitssituation der Hauptauslöser für einen Suizid sein kann, könne man nicht konkret beantworten, sagt Marianne Aebli. «Das muss individuell betrachtet werden und hängt von verschiedenen Faktoren ab.» Die Suizidpräventionsforschung zeige, dass es nicht einen einzigen Anlass oder Faktor gebe, der zu einem Suizidversuch führe, so Kupferschmid. «Man kann hier von einer Entwicklungsgeschichte reden, die teilweise über Jahre bestehen und sich verschlimmern kann.» Es gebe aber auch im Arbeitsbereich auf jeden Fall Risikofaktoren, welche zu suizidalen Gedanken oder Absichten beitragen können, «etwa wenn man das Gefühl hat, ausgeschlossen zu werden».
Gemäss der Internationalen Vereinigung für Suizidprävention betrifft jeder Suizidfall jeweils rund 135 Personen: Familienangehörige, Freunde, Arbeitskollegen, Ärztinnen und Ärzte, Sanitäts-, Polizei- und Feuerwehrmitarbeitende. Jörg Weisshaupt, Geschäftsführer des Vereins Trauernetz, sagt: «Es ist wichtig, dass Hinterbliebene aktiv versuchen, diese Traumatisierung zu verarbeiten.» Trauer sei keine Krankheit, aber sie könne krank machen, wenn man sie verdrängt und ihr nicht bewusst Raum lässt, «auch wenn dies Schwerstarbeit ist». Weisshaupt begleitet seit über 20 Jahren Menschen, die jemanden durch Suizid verloren haben. Oft haben Familienangehörige oder Freunde Schuldgefühle, weil sie nicht bemerkt haben, wie schlecht es dem Betroffenen ging oder weil sie sich nicht getraut haben, die Person auf mögliche suizidale Absichten anzusprechen. «Hier ist es wichtig, darüber zu reden, zum Beispiel im Rahmen einer Psychotherapie oder in einer Selbsthilfegruppe.» Gerade Gespräche mit anderen Betroffenen können sehr heilsam sein, da man merke, dass man nicht allein ist. ⋌Larissa Jurczek
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