Manfred Flück
bietet Tagesreisen für nicht mehr mobile Personen an.
Vier Gastrobetriebe in Neuhegi sind bereits verschwunden, die verbleibenden kämpfen indes ums Überleben. Die Schuld geben sie der Stadt und Grossverteilern. Die Stadt sieht die Probleme weniger dramatisch.
Hegi Dicke graue Wolken brauen sich über der Else-Züblin-Strasse zusammen. Und das nicht nur wegen des kalten und nass-grauen Herbstwetters. Hier im Stadtteil Neuhegi, wo laut der Stadt Winterthur ein neues urbanes Zentrum mit eigener Identität, viel Potenzial für das lokale Gewerbe und einer belebten attraktiven Begegnungszone entstehen soll, ist die Stimmung eher leer und trostlos. Zumindest, was das Gewerbe angeht. Vier der Gastrobetriebe mussten bereits wieder schliessen, darunter die Wiener Würstel Welt, der Caterer Portolino sowie die Bar Loft 77. Auch Cristina Lanaro, die dort ihr eigenes Bistro «da Cristina» führt, muss seit sie hier ist, kämpfen, wie sie sagt: «Wir haben es hier so schwierig, weil das Gesamtkonzept der Stadt einfach nicht passt.»
Das Quartier sei unattraktiv gestaltet, was potenzielle Kundschaft abhalte, hierher zu kommen. Die Beleuchtung und Grünbepflanzung sei dürftig. Das liege auch an den vielen Auflagen, so Lanaro: «Ich darf hier keine Sonnenstoren oder einen Grill vor mein Bistro stellen, ohne erst einen unsinnigen finanziellen und bürokratischen Aufwand zu betreiben.» Auch bemängelt sie eine bessere Vermarktung der Gastrobetriebe. Vielen seien die Restaurants unbekannt,weil beispielsweise im gut besuchten Eulachpark nicht mal Hinweistafeln aufgestellt werden dürfen. «Die Stadt hat offenbar weder Geld noch Zeit, dem Quartier endlich einen Schwung zu verleihen.» Auch die städtische Quartierentwicklung sowie die zuständigen verschiedenen Verwaltungen würden zwar grosse Reden schwingen, aber nichts tun. Dabei müssten sich die Gewerbler miteinander vernetzen, statt sich zu konkurrenzieren. «Nur so kann sich der Stadtteil entwickeln. Seit rund sechs Jahren hat sich an der Else-Züblin-Strasse jedoch gar nichts getan. Ich fühle mich von der Stadt im Stich gelassen.»
Mit der Kritik ist Lanaro aber nicht alleine. Auch ein anderer Beizenbesitzer, der anonym bleiben möchte, klagt über die suboptimale Situation. Er beklagt einerseits, dass es zu viele Gastrobetriebe auf engstem Raum habe. «Der Stadt und den Verwaltungen scheint es wichtiger zu sein, möglichst viele Mieter zu haben. Dass diese auch ein vielfältiges Angebot haben, ist für sie sekundär.» So wäre es seiner Meinung nach sinnvoller, ein paar Bistros weniger, dafür beispielsweise auch eine Apotheke und eine Bank mit Geldautomaten im Quartier zu haben.
Vor allem aber ist ihm das neue Migros-Restaurant ein Dorn im Auge. «Seit dessen Eröffnung im Juli sind unsere Umsätze um 30 Prozent zurückgegangen und es hat unsere Pläne durcheinander gebracht. Die Laufkundschaft habe schon vorher gefehlt, jetzt habe die Migros ihm aber auch noch die Gäste, welche morgens und über Mittag kamen, weggeschnappt.
Noch stärker betroffen ist das Restaurant Frischtheke, das seinen Hauptumsatz über Mittag erwirtschaftet. Besitzer Can Demirci sagt: «Seit das Migros Restaurant besteht, ist mein Umsatz wie auch die Anzahl meiner Gäste um über die Hälfte eingebrochen.» So seien es jetzt noch die wenigen Stammgäste, die den Weg zu ihm finden. Doch von einem vollen Lokal, wie das vorher der Fall gewesen sei, könne er nur noch träumen.
«Gegen die Grossen kann man leider nicht kämpfen. Solche Geschäfte schaden aber der Quartierentwicklung und lässt die kleineren Gastrobetriebe verschwinden», sagt Demirci. Betroffen sind ausserdem nicht nur Restaurants. Auch ein Blumengeschäft, eine Kinderkleiderbörse sowie ein Coiffeursalon mussten ihren Betrieb nach kurzer Zeit wegen der fehlenden Kundschaft wieder schliessen.
Die Stadt Winterthur ist sich der langsamen Entwicklung bewusst. Kathrin Howald, Sprecherin des Departements Kulturelles und Dienste, schreibt auf Anfrage, dass man deshalb die Halle 710 als öffentlich nutzbare Halle gekauft habe. «Das Restaurant sollte etwas Leben ins Quartier und in den Eulachpark bringen, was es auch tut.» Die Belebung eines neuen Quartiers brauche aber seine Zeit, das hätten ähnliche Beispiele gezeigt. Zudem habe sich die Stadt immer wieder mit direkten Gesprächen bemüht, Grossverteiler und die Post nach Neuhegi zu bringen. Dass aber genau diese Grossverteiler auch die kleinen Geschäfte vertreiben, daran wollen die städtischen Betriebe nicht glauben. «Die Migros ist mit einem Restaurant vor Ort, nicht aber als Lebensmittelhandelsgeschäft. Unsere Bemühungen zielten aber darauf, einen Grossverteiler mit seinem Food- und Non-Food-Produkten nach Neuhegi zu bringen und damit die Möglichkeit zu schaffen, vor Ort einzukaufen.» Ein solches Angebot stünde in keinerlei Konkurrenz zu den Gastrobetrieben vor Ort, so Howald.
Des Weiteren seien im Rahmen der planerischen Festlegungen an zukünftig publikumsorientierten Lagen Vorschriften zur Erdgeschossnutzung festgesetzt worden. Betreffend der unausgewogenen Ladenauswahl müsse man die Eigentümer in die Pflicht nehmen, so Howald: «Letztendlich ist es Aufgabe der Grundbesitzer und nicht der Stadt, einen attraktiven Ladenmix zu generieren.» Die Quartierentwicklung der Stadt habe bereits im September ein erstes Netzwerktreffen mit verschiedenen Kulturveranstaltern und Gewerbetreibenden in Neuhegi organisiert. «Die Stadt ist gerne bereit, hier Vernetzungsarbeit zu leisten, schliesslich hat der Stadtrat im Rahmen der neuen Legislaturschwerpunkte auch die Massnahme «Förderung des urbanen Zentrums Neuhegi-Grüze» verabschiedet», sagt Howald. Genau solche Diskurse hätten aber laut Cristina Lanaro bisher gefehlt. «Wir sind für Gespräche bereit und warten», sagt sie.
Fabrice Dubler
(Teil1) Ich möchte gerne den letzten Absatz des obigen Artikels präzisieren: Das Netzwerktreffen vom Sept. 2018 geht auf die Initiative des Begegnungszentrum Anhaltspunkt, das wie alle in Neuhegi ansässigen Restaurants und andere Institutionen an einer Belebung des Quartiers interessiert und aktiv etwas dazu beitragen möchte, zurück. Anfang Jahr habe ich mit der Quartierentwicklung Kontakt...
Barbara Winter-Werner, Leiterin Begegnungszentrum Anhaltspunkt antwortenLade Fotos..