Philipp Fankhauser
kommt im Januar für ein Konzert nach Winterthur.
223 S-Bahnen sind im Zürcher Verkehrsverbund unterwegs. In der Serviceanlage Oberwinterthur werden diese Tag und Nacht auf Vordermann gebracht. Ein Besuch.
Oberwinterthur Es scheppert und hämmert, hin und wieder ertönt das sanfte aber unüberhörbare Beschleunigungsgeräusch einer S-Bahn, mit dem jeder Pendler bestens vertraut sein dürfte. «So überprüfen unsere Mitarbeitenden beispielsweise die Funktionstüchtigkeit der Achsen», erklärt Sven Köpfler, Produktionsleiter Instandhaltung bei der SBB. Die Achsen in den Drehgestellen gelten sozusagen als Herzstück einer S-Bahnkomposition, welche hier in der Serviceanlage Oberwinterthur allesamt auf Herz und Nieren geprüft werden.
223 solcher Kompositionen von drei verschiedenen Modellen kommen hier abwechslungsweise in «Pflege». Pro Tag sind es etwa 20 Kompositionen, die zwischen vier und acht Stunden gewartet werden. Denn eine S-Bahn verharrt etwa sieben bis zehn Tage oder zwischen 7000 und 10'000 Kilometern im Verkehr, bevor sie wieder einer Kontrolle bedarf. «Bei akuten Störungen werden sie natürlich umgehend gewartet», sagt Köpfler.
Auf den fünf je 200 Meter langen Gleisen werden die Züge direkt in die grossflächige Halle eingefahren. Der grösste Betrieb herrscht zwischen 9 und 4 Uhr tagsüber und nachts, also jeweils ausserhalb der Hauptverkehrszeiten. Plattformen mit Treppen und einer Hebebühnen erlauben es den Arbeitern, das Innere sowie Untergrund und Dach des Zuges zu inspizieren. «Bei der Unterbaubesichtigung werden beispielsweise Profilmessungen durchgeführt und gecheckt, ob die Fahrzeuge Schäden, Öl- oder Luftverlust aufweisen und die Funktionalität der Bremsen und Achsen sichergestellt ist», so der Produktionsleiter.
Mit einer speziellen Prüfanlage für Hohlwellen wird der Zug zudem von unten «geröntgt». Von aussen kaum sichtbare Schäden an den Achswellen sollen so visibel werden. Die Verantwortung ist gross, wird doch genau rapportiert, wer wann welche Arbeiten ausgeführt hat. Insbesondere für Reparaturen auf dem Dach am Seil nahe den Fahrleitungen unter Hochspannung sind spezielle Sicherheitsmassnahmen einzuhalten. Nur wenn diese Leitungen ausgeschaltet seien, lasse sich die Hebebühne überhaupt in Bewegung setzen, erklärt Köpfler das System.
Doch auch im Innern und an der Aussenhülle kommt es immer wieder zu Reparaturen. Türmechanismen, wegen derer die SBB in den letzten Monaten in Kritik geriet, gehörten zu jedem Kontrollgang dazu. Im Sommer seien es dann vor allem die Klimaanlagen, die des Öfteren gewartet werden müssen. Gerade wechseln mehrere Mitarbeiter zudem die Frontscheibe eines Doppelstock-Triebzugs der dritten Generation. «Das kann gut und gerne bis zu zwölf Stunden dauern, je nach dem, ob die Scheibe verklebt oder verschraubt werden muss», bemerkt Köpfler. Kostenpunkt: etwa 12'000 Franken. Sind Ersatzteile vonnöten, kann die SBB auf ein internes Lager mit rund 6000 Klein- und 2000 Grossteilen zurückgreifen.
Reparaturen dieser Teile werden im Servicecenter Yverdon oder Olten vorgenommen, Neumaterial bestelle man meist beim Hersteller selbst, der zudem die Handbücher zur Wartung herausgibt. Auch den Komfort und die Sauberkeit, insbesondere der WC-Anlagen sicherzustellen, gehört zu Köpflers Aufgabengebiet. «Während früher quasi alles auf die Gleise abgelassen wurde, verfügen die S-Bahn-Modelle über einen Bioreaktor, der das Abwasser vorher klärt und Feststoffe zurückhält. Diese werden alle 90 Tage praktisch geruchsarm abgesaugt.» Jährlich investiert die SBB rund zehn Millionen Franken in die Instandhaltung der geschlossenen WC-Systeme.
Der ständig wachsende Zugbetrieb stellt die SBB vor immer grössere Herausforderungen. Um den Kapazitäten Herr zu werden, eröffnete der Bundesbetrieb im Dezember 2017 ein zweites, etwas kleineres Servicezentrum in Wiesendangen. Bei Engpässen oder grösseren Reinigungsaktionen weicht man zudem auf die äusseren Abstellgleise aus.
100 Mitarbeitende sind rund um die Uhr im Schichtbetrieb im Einsatz. Es sind Produktions- und Polymechaniker, Automatiker, Techniker und Ingenieure, darunter auch neun Lernende. Sie alle sorgen dafür, dass Verfügbarkeit und Pünktlichkeit der Zürcher S-Bahn auf einem hohen Niveau (rund 97.5 Prozent) bleiben.
Fabrice Dubler
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