Lukas Köder
will mit Pfadi europäisch spielen.
Jojo Casanova stellt in Winterthur-Töss die mobilen Toiletten von Kompotoi her. Bild: spo
Sieht so die Zukunft aus? Aus menschlichem Urin und Kot macht die Firma Kompotoi beste Erde. Noch kann man diese aber nicht kaufen.
Nachhaltigkeit Zwei Dutzend mobile Toiletten stehen auf dem Areal der Firma Kompotoi in Winterthur-Töss in Reih und Glied. Es ist Freitag, das Wochenende nah, und beim Hersteller der hölzernen Komposttoiletten herrscht Hochbetrieb. Ob an Open Airs, in den Bergen oder beim städtischen Spielplatz: Die Komposttoiletten erobern die Schweiz.
Die Luft auf dem Areal müsste getränkt sein von beissenden Gerüchen, doch es stinkt nicht. «Das ist so, weil wir Flüssiges (Urin) und Festes wo möglich trennen. Durch die Zugabe von Hobelspänen wird die Oberfläche sehr schnell geschlossen, und es entsteht kein weiterer Geruch», erklärt Jojo Casanova, Co-Gründer und Geschäftsleiter der Winterthurer Firma. Doch es geht um viel mehr als um den Geruch: Für den Umgang mit den menschlichen Hinterlassenschaften erhielt das Winterthurer Unternehmen kürzlich den Schweizer Ethikpreis der Hochschule für Wirtschaft und Ingenieurwissenschaften des Kantons Waadt.
Mit den Komposttoiletten schliesst Kompotoi den Nährstoffkreislauf. Menschliche Ausscheidungen werden recycelt, und so entstehen wertvoller Dünger und Komposterde. «Wir spülen heute gute Nährstoffe weg. Das wird nicht die Zukunft sein», so Casanova.
Aber ist das nicht eklig? «Es ist spannend, dass dieser Kreislauf für manche Menschen in der heutigen Gesellschaft eklig ist. Bedenkt man doch, dass die Erde aus Wurmkot besteht», so Casanova. Zudem sei die Kompostierung ein riesiger Prozess. «Es ist nicht mehr das gleiche Produkt, wie es hinten herausgekommen ist.» Auch sei es keine neue Erfindung, die menschlichen Hinterlassenschaften wie Kot und Urin als Dünger auf dem Feld zu verwenden. Menschlicher und tierischer Kot waren bis ins 19. Jahrhundert nicht nur Abfall, sondern auch begehrte Rohstoffe. Mit Stroh zu Mist gebunden, dienten sie als Dünger für die Landwirtschaft, Urin war bei den Gerbern als Rohstoff gefragt.
Die Idee zu den Komposttoiletten kam Casanova in Indien, wo er vor Jahren für eine NGO Entwicklungshilfe betrieb. Die rudimentären Komposttoiletten verwandelten dort Kot und Urin in nährstoffreiche Erde, «beste Erde», so Casanova. Zurück in der Schweiz sah er die mobilen Baustellentoiletten aus Plastik, die mit Chemie funktionieren und sagte sich: «Das können wir besser!» Zusammen mit weiteren Mitstreitern begann er, Prototypen zu bauen und sie immer wieder auf Veranstaltungen zu testen. Kompotoi war geboren. «Unsere Trockentoiletten verschmutzen das Wasser nicht mit Chemie oder Mikroplastik», sagt Casanova. «Die Stoffe, die wir weiterverarbeiten, sind alle schon durch den Menschen hindurchgegangen, das ist wie ein Filter.»
Anschliessend wird das menschliche Geschäft weiterverarbeitet. «Dabei wird eine kombinierte Verfahrenstechnik von Fermentation und Kompostierung angewendet», erklärt Casanova. Ein entscheidender Teil ist die Hygienisierung, bei der Krankheitserreger mit Hitze unschädlich gemacht werden. So entstehen jährlich rund 180 Kubik beste Erde. Wer nun aber im Detailhandel die Komposterde kaufen will, der wird nicht fündig werden. Noch kann diese nicht verkauft werden. «Wir befinden uns in einer rechtlichen Grauzone», sagt Casanova. Es sei nicht klar geregelt, was mit dem Inhalt aus Trockentoiletten gemacht werden dürfe. Das Unternehmen sei auf Pilotprojekte und Sondergenehmigungen angewiesen. «Es ist sicher unsere Vision, dass die Produkte im Detailhandel angeboten werden.»
Noch beherrschen in der Schweiz die Plastiktoiletten den Markt. Den rund 30 000 mobilen WC-Häuschen der Konkurrenz stehen laut Casanova 1000 Winterthurer Kompotois gegenüber. «Das Potenzial ist gross. Unser Ziel ist, dass 100 Prozent des Inhalts der heutigen Toiletten recycelt wird. Das müsste Standard sein», findet Casanova. Seit dem Gründungsjahr 2012 ist das Unternehmen stetig gewachsen. 2022 expandierte Kompotoi nach Deutschland mit einem Büro in München.
Geht es nach Jojo Casanova, könnte die Reise aber noch viel weiter gehen. «Wir sprechen heute von der Besiedelung des Planeten Mars. Da könnte unser Kreislaufsystem eine Antwort auf die Frage sein, wie wir Nährstoffe für die Landwirtschafterhalten.»
Sandro Portmann
Weitere Infos:
www.kompotoi.ch
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