Léa Spirig
wird künstlerische Leitung im Casinotheater.
Im Herbst wird ein Dokumentarfilm über den in Guatemala unter mysteriösen Umständen angeklagten Ueli Gurtner in Winterthur Premiere feiern.
Dokumentarfilm Manch einem nicht mehr ganz so jungen Winterthurer Fussballexperten dürfte Ueli Gurtner als junger Nationalliga-A-Verteidiger des FCW von 1975 bis 1979 in Erinnerung geblieben sein. Heute, im Alter von 68 Jahren, verteidigt Gurtner immer noch, aber nicht für seine Mannschaft, sondern sich selbst vor den korrupten Justizmühlen Guatemalas. Das Land, in das der ehemalige Wirtschaftsgymnasiast, Fussballer und Bank-Praktikant 1986 von seiner Arbeitgeberin Gebrüder Volkart AG delegiert wurde. Gurtner hatte den Auftrag, im mittelamerikanischen Staat das Geschäft aufzubauen.
Weil er sich dort aber weigerte, für einen gesteigerten Export Schmiergelder zu bezahlen, wurde er auch von interner Stelle massiv unter Druck gesetzt und musste das Land verlassen. Da Gurtner in Guatemala eine kleine Tochter zurücklassen musste, aber auch weil er von der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung den Auftrag erhalten hatte, eine Genossenschaft von kleinen Kaffeebauern zu sanieren, kehrte er 1988 in das von Bürgerkrieg und Korruption geplagte Land zurück.
Der Winterthurer wurde Geschäftsführer der erwähnten Genossenschaft Fedecocagua, die mehr als 20 000 Kleinbauern von der Zwangsarbeit befreite und diesen mit fairen Verträgen eine Existenz ermöglichte. Gleichzeitig war die Genossenschaft unter Führung Gurtners zu einem kleinen, aber um so hartnäckigeren Gegenspieler der den Handel bestimmenden mächtigen Kaffee-Oligarchen gewachsen. Nicht nur einmal wurde Ueli Gurtner unter Druck gesetzt.
Den Höhepunkt erreichten die Angriffe gegen ihn, nachdem 2009 ein bekannter Anwalt einem Attentat zum Opfer gefallen war, wie Medien damals weltweit berichteten. Anwalt Rosenberg hatte ein Video hinterlassen, das ihn und Ueli Gurtners Genossenschaft Fedecocagua des Geldwaschens von 110 Millionen Dollar beschuldigte. Um dies zu vertuschen, soll er, der Jurist, ermordet worden sein. «Später stellte sich heraus, dass der Anwalt, der den grossen Kaffee-Exporteuren nahestand, den Mord an sich selbst inszeniert, seine Killer selbst beauftragt hatte. Die Anklage gegen Gurtner und die Genossenschafter war nicht haltbar, aber es wurde sichtbar, dass sie den mächtigen Kreisen des Landes ein Dorn im Auge waren», sagt der Zentralschweizer Dokumentarfilmer Ruedi Leuthold.
2011 flog Leuthold zusammen mit Beat Bieri, mit dem er für das Schweizer Fernsehen schon viele Dokumentarfilme realisiert hatte, nach Guatemala. Mit «Ueli Gurtner – Revolutionär wider Willen» entstand ein erster Dok-Film über die Geschichte des Winterthurer Auswanderers, der sich in Guatemala nie als Entwicklungshelfer sah, sich aber stets für eine faire freie Marktwirtschaft eingesetzt hatte und deshalb ins Kreuzfeuer der Mächtigen geraten war.
Obwohl 2011 das Sondergericht Cicig der Uno Ueli Gurtners Genossenschaft vom Vorwurf der Geldwäsche freigesprochen hatte, nahm Guatemalas Staatsanwaltschaft am 24. März 2023 die gerichtlich entkräfteten und verjährten Vorwürfe unverhofft wieder auf. Ueli Gurtner wurde erneut verhaftet, die Konten der Kaffeegenossenschaft wurden gesperrt. Dies traf in erster Linie die Kaffeebauern, die ihre Ernten so nicht mehr vorfinanzieren konnten.
Auf eigene Faust reisten Beat Bieri und Ruedi Leuthold abermals ins mittelamerikanische Land und besuchten mit der Kamera vorab einzelne der Genossenschaft angeschlossene Maya-Familien. Deren Wohlergehen ist durch die neuerliche Entwicklung stark bedroht. «Wir durften auch Ueli Gurtner im Gefängnis besuchen. In unserem neuen Dok-Film geht es aber nicht um die Ehrenrettung des verfolgten Winterthurers, sondern um die Arbeit der kleinen Kaffeebauern», so Ruedi Leuthold.
Aktuell wartet Ueli Gurtner immer noch auf seinen Prozess. Nachdem ihm der Pass abgenommen wurde, darf er sich immerhin wieder einigermassen frei bewegen. Dass aber die Verhandlungen immer wieder verschoben würden, sei für Gurtner hart, sagt Ruedi Leuthold, der sich derzeit wieder in Guatemala befindet: «Ueli Gurtner hat wochenlang seine Verteidigung vorbereitet, er hat genügend Unterlagen, um die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft wegen Geldwäscherei zu bestreiten – aber dann kommt es wieder nicht zur Verhandlung.»
Mit den Verzögerungen soll Gurtner offensichtlich weichgekocht werden, ein Schuldgeständnis abzulegen. Ruedi Leuthold meint dazu: «Da wissen seine Verfolger nun allerdings nicht, mit wem sie es zu tun haben. Ein ehemaliger Verteidiger des FC Winterthur, der noch Köbi Kuhn nachrannte und dessen Verständnis für sportliche Fairness angekratzt ist, der gibt nicht auf, und wenn man ihm die Beine bricht.»
Auch weil die Stadt Winterthur kurz nach Ueli Gurtners Verhaftung 2023 die Dreharbeiten in Guatemala unterstützte, Gurtner zudem in Winterthur noch viele Freunde hat, soll der Film von Ruedi Leuthold und Beat Bieri im Herbst in der Eulachstadt gezeigt werden. «Möglicherweise mit offenem Ende, sollte der Prozess bis dahin noch nicht abgeschlossen sein», wie Leuthold verrät. Weiter erklärt er: «Die Geschichte Ueli Gurtners ist aber in unserem Film wie erwähnt eingebettet in die Geschichte der Mayas, die seit fünfhundert Jahren damit umgehen müssen, dass es wenig Gerechtigkeit gibt in ihrem Land. Gurtner ist ja auch nur Teil eines grösseren Prozesses, bei dem es darum geht, wie ein Land um seine Demokratie kämpft.»
George Stutz
Lade Fotos..