Peter Dietschweiler
und die Andelbach-Köhler laden zum Köhlerfest
Zwei Wochen nach Einreichung der Initiative gegen ein flächendeckendes Tempo 30 setzt der Stadtrat das neue Temporegime um. Das sorgt für Unmut.
Geht es nach dem Winterthurer Stadtrat, könnte bereits im Herbst rund um die Innenstadt Tempo 30 gelten. Die in der vergangenen Woche publizierten Verkehrsanordnungen sind der Startschuss für flächendeckendes Tempo 30 bis 2040 (siehe Grafiken). Dieses soll in Etappen umgesetzt werden, den Anfang macht das Gebiet östlich des Bahnhofs in einem Halbkreis um die Altstadt. «Wichtig zu wissen: Mit den jetzt publizierten Verkehrsanordnungen bauen wir nicht», sagt Herbert Elsener, Leiter Verkehr des städtischen Tiefbauamts, an einer Medienorientierung am vergangenen Montag. Es würden lediglich Verkehrsschilder und Markierungen angebracht. «Wir führen keinen Rechtsvortritt ein und wir werden weder Fussgängerstreifen noch Ampeln abbauen», erklärt Elsener. Auch Verkehrsinseln seien keine geplant. Mehrere Gutachten stützen den Schritt der Stadt. Die Massnahmen seien notwendig, zweck- und verhältnismässig. Angst, dass sich der Verkehr in die Quartiere verlegt, habe man nicht. «Da es dafür keine Alternativen gibt, rechnen wir nicht mit Ausweichverkehr. Die Strasse bleibt für den Verkehr attraktiv», so Herbert Elsener.
Ob die Strasse für den Verkehr attraktiv bleibt, darüber scheiden sich die Geister. Die bürgerlichen Parteien wehren sich gegen das geplante Tempo-30-Regime. Besonders gross ist der Unmut bei der Mitte. Die Partei kämpft gemeinsam mit der EDU gegen ein flächendeckendes Tempo-30-Regime und hat Anfang Juni eine entsprechende Initiative eingereicht. 1700 Unterschriften wurden dafür in fünf Monaten gesammelt, 700 mehr als nötig gewesen wären. «Das ist ein deutliches Zeichen, dass die Bevölkerung nicht einverstanden ist», sagt Andreas Geering, Stadtparlamentarier (Die Mitte). Die Initiative fordert, dass der öV von Tempo 30 ausgenommen wird und weiterhin 50 km/h fahren darf. «Nach Einreichung der Initiative hätten wir vom Stadtrat erwartet, dass er eine Denkpause einlegt.» Man werde nun erst recht für ein positives Resultat in der Volksabstimmung kämpfen und prüfen, Rekurs gegen die Verkehrsanordnung einzureichen.
Die Partei rechnet mit höheren Ausgaben bei Stadtbus. «Tempo 30 führt zu längeren Fahrzeiten. Soll das mit zusätzlichen Bussen ausgeglichen werden, führt dies zu Mehrkosten für die zusätzlichen Busse und das Personal», so Geering.
Die Kritik am Zeitplan kann SP-Stadträtin Christa Meier, Vorsteherin des Baudepartements, nachvollziehen, wie sie an der Medienorientierung sagte. Sie hält aber fest: «Der Startschuss für die neue Verkehrsanordnung fiel im letzten September, als das Stadtparlament den Bericht zum Postulat Tempo 30 rund um die Altstadt mit 32 zu 22 Stimmen zustimmend zur Kenntnis genommen hat.» Zudem habe die Initiative keine Vorwirkung. «Wir wissen noch nicht, wie über die Initiative entschieden wird. Wenn die Initiative angenommen wird, müssen wir grundsätzlich anschauen, was dies für den Verkehr bedeutet», so Meier. «Die Dynamik um Tempo 30 hat in den letzten Jahren in den Schweizer Städten massiv zugenommen und ist heute nicht mehr wegzudenken», sagt Meier weiter. Politik wie Anwohner würden Tempo 30 fordern. «Das dient in erster Linie dem Lärmschutz, aber auch der Verkehrssicherheit», so Meier. Dabei gehe es nicht darum, das Auto zu benachteiligen. «Ich fahre selber Auto. Der Verkehr gehört dazu, der Individualverkehr wird von Tempo 30 profitieren.»
Die Sorge, dass es mit Tempo 30 zu einer Verlangsamung des öV kommt und damit zu Mehrkosten, teilt die SP-Stadträtin nicht. «Wir stehen in intensivem Austausch mit Stadtbus. Die Gutachten zeigen, dass der Zeitverlust mit nur ein paar Sekunden minimal ist. Es gibt keine Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit», so Meier. Als Begleitmassnahme wurde das Ampelsystem besser auf die Busse abgestimmt. Die Kosten für die erste Etappe der Tempo-30-Massnahmen mit Signalisation und Beschilderung schätzt sie auf einen kleinen fünfstelligen Betrag.
Dass die Verzögerung der Busse nur im Sekundenbereich liegt, glaubt Andreas Geering von der Mitte hingegen nicht. Er sagt: «Zu Stosszeiten bringt Tempo 30 nicht viel, da der Bus kaum schneller fahren kann. Aber zu den Nebenzeiten kommt der Bus gut durch, insofern kann Tempo 30 den Linienverkehr schon verlangsamen, auch wenn der Stadtrat hier etwas anderes sagt.»
Von einem Affront gegen die Volksrechte und einer intransparenten Kommunikation sprechen der Verein Winterthur: agil-mobil und die FDP-Stadträtin Romana Heuberger. «Zwei Punkte stossen bei mir auf Widerstand, das ist einerseits die Einführung von Tempo 30 auf Hauptverkehrsachsen und andererseits das Vorgehen des Stadtrats», sagt Heuberger. Auch sie findet stossend, dass die Ankündigung der Stadt für Tempo 30 rund um die erweiterte Altstadt weniger als zwei Wochen nach der Einreichung der Volksinitiative kommt. «Der Zeitpunkt ist ein Affront. Ich hätte einen Marschhalt erwartet, bis der Stadtrat weiss, wie die Bevölkerung darüber denkt», so die FDP-Politikerin. Schliesslich sei eine Volksinitiative höher zu werten als ein Postulat. Weiter kritisiert sie den Zeitpunkt für den Rekurs, der in die Sommerferien fällt. Die 30 Tage seien ohnehin sehr knapp, um zu reagieren. Derzeit liegen fünf Planauflagen und zehn Verkehrsanordnungen gleichzeitig auf. «Ähnlich war das in den Vorjahren. Dieses Vorgehen hat System», wirft Heuberger dem Stadtrat vor. Auf der anderen Seite wehre sie sich nicht komplett gegen das Tempo-30-Regime. «Wir sind ja nicht stur. Für die Stadthausstrasse haben wir bereits vor zwei Jahren ein Committment zu Tempo 30 abgegeben. Der Bus fährt da ja sowieso nicht schneller», sagt sie.
Dass bereits im Herbst Tempo 30 um die Altstadt gilt, ist unwahrscheinlich. «Wir rechnen mit Rekursen», sagt Stadträtin Meier in Anbetracht des Widerstands. Damit könnte sich das Projekt um Jahre verzögern. «Sind die Pläne rechtskräftig, können wir das Tempo-30-Regime innert zwei bis drei Monaten umsetzen», so Herbert Elsener, Leiter Verkehr des städtischen Tiefbauamts. Sandro Portmann
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