Andreas Würmli
erhält den Pokal für die beste Winti-Wurst.
Der Winterthurer Stadtrat Nicolas Galladé bei seiner Rede an der Eröffnungsfeier der Lernstube Winterthur. Bild: Janik Schmid
Lesen, Schreiben oder Rechnen – damit tun sich auch manche Erwachsene schwer. Um diese zu unterstützen, eröffnet in Winterthur eine Lernstube.
Erwachsenenbildung In der Schweiz haben etwa 15 Prozent der Erwachsenen Mühe mit Lesen, Schreiben oder Rechnen. In Winterthur sind das rund 11 000 Personen. «Die Betroffenen sind häufiger in prekären Arbeitsverhältnissen, von Armut betroffen oder auf Sozialhilfe angewiesen», erklärt der Winterthurer Stadtrat Nicolas Galladé (SP) an der Eröffnungsfeier der Lernstube Winterthur. Diese wurde errichtet, um Erwachsene beim Lernen zu unterstützen. Sowohl der Zürcher Regierungsrat als auch der Winterthurer Stadtrat haben in ihren aktuellen Legislaturzielen festgelegt, dass Bildungsangebote für Erwachsene weiter ausgebaut werden sollen. «Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Dieses Sprichwort hat zwar ein Körnchen Wahrheit – in jungen Jahren lernt man geschwinder – aber es ist nie zu spät, etwas zu lernen», sagt Galladé. Dem Stadtrat sei es wichtig, früh und nachhaltig in diese Bildungsangebote zu investieren und somit Chancengerechtigkeit zu schaffen: «Damit Hans und Johanna nachholen können, was Hänschen und Hanneli noch nicht gelernt haben.»
Mit der Lernstube Winterthur öffnet bereits die sechste Lernstube im Kanton Zürich ihre Türen. Die Besucherinnen und Besucher werden niederschwellig, kostenlos und möglichst individuell beim Lernen unterstützt. Das Angebot umfasst neben Kursen für Lesen und Schreiben auch Kurse im Umgang mit dem Computer und Handy sowie Bewerbungswerkstätten. Damit auch Eltern mit kleineren Kindern das Angebot nutzen können, gibt es eine Kinderbetreuung vor Ort.
Nicht alle können auf eine schöne Schulzeit zurückblicken. Einigen ist diese aus verschiedenen Gründen schwer gefallen. In der Lernstube möchte man daher ein Ambiente schaffen, das nicht an das alte Klassenzimmer erinnert: «Die Lernstube soll eine Wohlfühloase sein, wo man sich auf Augenhöhe begegnet», sagt Monika Da Pra, Leiterin der Lernstube Winterthur.
Der Innenraum beim Treffpunkt Vogelsang wurde dafür extra umgebaut. Der Parkettboden, eine Couchecke und rustikale Stühle an runden Holztischchen geben den Räumlichkeiten den gemütlichen Stuben-Flair. Ein Getränketresen, weisse Fenstergardinen, eine mit Pflanzen und geflochtenen Körben dekorierte Garderobe und mit Gesellschaftsspielen und Küchenutensilien gefüllte Wandregale runden die Einrichtung ab. Die hinteren Räume sind mit grossen Tischen und Computern ausgestattet und bieten viel Platz, um zu lernen.
In diese Wohlfühloase sei die Zeit und das Geld gut investiert: «Die Leute kommen gerne wieder. Viele haben mithilfe der Lernstube eine Arbeitsstelle gefunden und sind dadurch aus dem Sozialdienst rausgekommen», so Da Pra.
Die fünf anderen Lernstuben liegen in Altstetten, Oerlikon/Affoltern, Dübendorf, Kloten und Wetzikon. In Zukunft sollen weitere Standorte folgen, um ein flächendeckendes Netz im ganzen Kanton aufzubauen. «Die Freude über die Eröffnung in Winterthur ist gross», sagt Andres Meerstetter, stellvertretender Amtschef des Mittelschul- und Berufsbildungsamts des Kantons Zürich.
«Wir wollen die Erfolgsgeschichte der anderen fünf Lernstuben weiterführen.» Diese sind eine Dienstleistung des Mittelschul- und Berufsbildungsamts und Teil des Programms Grundkompetenzen, das vom Bund mitfinanziert wird. Betrieben werden die Lernstuben von lokalen Vereinen, Stiftungen und Institutionen. Für den Betrieb der Lernstube Winterthur ist der Verein Offene Soziale Arbeit Winterthur zuständig. Die Stadt Winterthur hat den Verein beim Aufbau der Lernstube unterstützt und den Ausbau der Räumlichkeiten mitfinanziert.
Maria kommt ursprünglich aus Brasilien und ist eine sogenannte «Botschafterin» der Lernstuben. Das sind Leute, die andere zum Schritt in die Lernstube ermutigen wollen: «Ich hatte beispielsweise grosse Mühe mit Computern und habe deshalb in der Lernstube Computerkurse besucht. Dort habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht. Ich möchte andere dazu motivieren, denselben Schritt zu wagen.»
Auch Gregor wagte den Schritt und machte gute Erfahrungen in der Lernstube Kloten: «Bei vielen Sachen, die ich ausfüllen musste, verstand ich früher nur Bahnhof. Mit all dem bin ich in die Lernstube gegangen und in jeweils einer Stunde hatten wir das. Es tut so gut, diese Sachen in der Lernstube gelernt zu haben. Ich bin als anderer Mensch dort rausgegangen.» Janik Schmid
Lade Fotos..